Justice - Justiz - Giustizia

Richterrecht auf Verfassungsstufe

  • Autor/Autorin: Elisabeth Chiariello
  • Zitiervorschlag: Elisabeth Chiariello, Richterrecht auf Verfassungsstufe, in: «Justice - Justiz - Giustizia» 2009/3
Im modernen Konstitutionalismus gilt die geschriebene Verfassung als Garantin der tragenden Prinzipien von Demokratie und Rechtsstaat. Sie ist Grundlage und Angelpunkt jeder weiteren Ausgestaltung und Erkenntnis des Rechts. Aufgrund dieser überragenden Bedeutung wird Verfassungsrecht regelmässig nur in qualifizierten Verfahren der Gesetzgebung erlassen. Dieser unbestrittenen Ordnung steht die Wahrnehmung gegenüber, dass in der Rechtswirklichkeit Verfassungen nicht nur auf formellem Wege, sondern auch durch die Rechtsprechung der höchsten Gerichte gestaltend geformt und weitergebildet werden. Diese im kontinentaleuropäischen Raum wenig beachtete Komponente der Verfassungsentwicklung in Form konstitutionellen Richterrechts ist Gegenstand der rubrizierten Habilitationsschrift, deren Forschungsergebnisse folgender Beitrag im Sinne einer Kurzpräsentation aufnimmt.

Die exemplarische Darstellung und Analyse des Phänomens Richterrecht erfolgt im Rahmen der Grundrechtsjudikatur der Schweiz, Deutschlands und der europäischen Gerichtsbarkeiten (EGMR, EuGH). Konstitutionelles Richterrecht erweist sich dabei substantiell als normativer Mehrwert, der den Normbestand der jeweiligen Verfassungsordnungen erweitert und mit Blick auf Wandlungen der Wirklichkeit aktualisiert. Die anschliessende Suche nach rechtsstaatlicher Zuordnung und demokratischer Legitimität von konstitutionellem Richterrecht führt zu Antworten, welche im Lichte des verfassungsmässigen Auftrags der höchsten Gerichte zur Verfassungsrechtspflege und am Massstab elementarer Grundsätze der Verfassung selbst gewonnen werden. Die Untersuchung verfolgt das Ziel, sowohl Möglichkeit und Unentbehrlichkeit als auch Grenzen richterlicher Verfassungsfortbildung aufzuzeigen.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Phänomen des Richterrechts: Richterrecht als Bestandteil moderner Verfassungen 
  • 1.1. Begriff des Richterrechts: eine typologische Umschreibung
  • 1.2. Phänomene richterlicher Verfassungsfortbildung
  • 1.2.1. Richterliche Verfassungsfortbildung durch das schweizerische Bundesgericht
  • 1.2.2. Richterliche Verfassungsfortbildung durch das deutsche Bundesverfassungsgericht
  • 1.2.3. Richterliche Verfassungsfortbildung durch europäische Gerichtsbarkeiten (EGMR, EuGH)
  • 1.3. Fazit der Analyse
  • 2. Problem der Zuordnung von konstitutionellem Richterrecht als Ausdruck offener Legitimitätsfragen
  • 3. Möglichkeiten, Massstäbe und Grenzen richterlicher Verfassungsfortbildung
  • 3.1. Impliziter Auftrag zur Verfassungsfortbildung
  • 3.2. Massstäbe richterlicher Verfassungsfortbildung
  • 3.3. Methodenfragen als Verfassungsfragen
  • 4. Schluss