Einführung einer kantonalen Abgabe auf zuckerhaltige Getränke und Anhebung des Mehrwertsteuertarifs für zuckerhaltige Getränke auf den Normalsatz

  • Autor/Autorin: Lothar Jansen
  • Beitragsart: Abhandlungen
  • Rechtsgebiete: Nationales Steuerrecht, Materielles Recht, Besteuerungsprinzipien, Steuerpolitik, Mehrwertsteuer, Andere Abgaben und Steuern
  • Zitiervorschlag: Lothar Jansen, Einführung einer kantonalen Abgabe auf zuckerhaltige Getränke und Anhebung des Mehrwertsteuertarifs für zuckerhaltige Getränke auf den Normalsatz, ASA 92 (2023/2024)
Grundsätzlich ist die Einführung einer Abgabe auf zuckerhaltige Getränke auf kantonaler Ebene möglich.
Zwar dürfen die Kantone keine zur eidgenössischen MWST gleichartige Steuern erheben. Für die Bewertung der Gleichartigkeit kommt es allerdings auf die konkrete Ausgestaltung an. Gemäss dem Leitentscheid des Bundesgerichts zur «Genfer Armenabgabe» und nachfolgenden Entscheiden des Bundesgerichts sind für die Gleichartigkeit das Ausmass der besteuerten Leistungen, die Erhebungsziele und Erhebungszwecke, das Belastungskonzept, die Erhebungsmodalitäten und die gewählte Bemessungsgrundlage massgebend.
Die Erhebung einer Abgabe auf zuckerhaltige Getränke als allgemeine Fiskalsteuer ist aus kompetenzrechtlichen Gründen und aufgrund eines Verstosses gegen den Grundsatz der Allgemeinheit der Besteuerung unzulässig. Es kommt allerdings eine Ausgestaltung als Kostenanlastungssteuer, Lenkungssteuer oder reine Lenkungsabgabe in Betracht. Die Ausgestaltung als reine Lenkungsabgabe ist nicht zwingend erforderlich, da der Kanton bereits zur Erhebung als Lenkungssteuer berechtigt wäre.
Eine kantonale Abgabe auf zuckerhaltige Getränke konfligiert als solche mit dem Grundsatz der Allgemeinheit der Besteuerung. Die anderen Besteuerungsgrundsätze (Gleichmässigkeit der Besteuerung, Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit) und die Wirtschaftsfreiheit sind hingegen nicht tangiert.
Der Verstoss gegen die Allgemeinheit der Besteuerung kann durch Kostenanlastungsgründe oder Lenkungszwecke gerechtfertigt sein.
Für eine Rechtfertigung als Kostenanlastungssteuer ist entscheidend, dass der Nachweis einer abstrakten Nutzen- oder Kostennähe zu den mit der Abgabe finanzierten Leistungen bzw. Aufwendungen gelingt.
Für eine Rechtfertigung als Lenkungssteuer ist v.a. massgebend, dass ein angemessener Abgabebetrag festgelegt wird, ohne dass der Abgabe ex-post die Geeignetheit abgesprochen wird.
Die Erhebung des MWST-Normaltarifs auf zuckerhaltige Getränke ist m.E. zulässig und qualifiziert weder als Verstoss gegen die verfassungsrechtlichen Besteuerungsprinzipien noch die Erhebungsprinzipien des MWSTG.

Inhalt

  • I. Einleitung
  • II. Gesundheitliche und ökonomische Rahmenbedingungen
  • III. Gesetzliche Ausgestaltungsmöglichkeiten
  • 1. Abgabearten im Überblick
  • 2. Abgabezweck
  • 2.1. Fiskalsteuer, Zwecksteuer und Kostenanlastungssteuer
  • 2.2. Lenkungssteuer
  • 2.3. Lenkungsabgabe
  • 3. Abgabeschuldner
  • 3.1. Hersteller, Importeur oder Vertriebshändler
  • 3.2. Verkäufer
  • 3.3. Erhebung beim Konsumenten
  • 4. Abgabeobjekt
  • 5. Bemessungsgrundlage
  • IV. Kompetenzordnung und Zuständigkeit der Kantone
  • 1. Grundsatz der kantonalen Souveränität
  • 2. Keine Zuständigkeit des Bundes nach Art. 131 BV
  • 3. Kein Ausschluss kantonaler Kompetenz aufgrund Bundesgesetzes
  • 4. Kein Ausschluss kantonaler Kompetenz aufgrund von Art. 134 BV
  • 4.1. Allgemeines
  • 4.2. Ökonomische Wirkungen als ungeeigneter Gleichartigkeitsmassstab
  • 4.3. Legislatorische Zwecksetzung als geeigneter Gleichartigkeitsmassstab
  • 4.4. Tradition als ungeeignetes Rechtfertigungselement
  • 4.5. Kantonale Zuständigkeit zur Erhebung einer Lenkungsabgabe
  • V. Besteuerungsgrundsätze und Wirtschaftsfreiheit
  • 1. Steuerrechtliches Legalitätsprinzip
  • 2. Allgemeinheit der Besteuerung
  • 2.1. Allgemeines
  • 2.2. Verfassungsrechtliche (Irr-)Relevanz des Überwälzungsmechanismus
  • 2.3. Verbraucher als Sondergruppe von Steuerpflichtigen?
  • 3. Gleichmässigkeit der Besteuerung
  • 4. Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit
  • 5. Wirtschaftsfreiheit
  • VI. Rechtfertigung als Kostenanlastungs- oder Lenkungssteuer
  • 1. Rechtfertigung als Kostenanlastungssteuer
  • 1.1. Rechtfertigungskriterien gemäss Bundesgericht
  • 1.2. Übertragung der Kriterien auf eine Abgabe auf zuckerhaltige Getränke
  • 2. Rechtfertigung als Lenkungssteuer
  • 2.1. Legitimes Ziel
  • 2.2. Verhältnismässigkeit
  • VII. Erhöhter MWST-Tarif auf zuckerhaltige Getränke
  • 1. Kein Verstoss gegen Besteuerungsprinzipien
  • 2. Kein Verstoss gegen Erhebungsprinzipien des MWSTG
  • VIII. Fazit