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Liebe Leserinnen und Leser

Wir freuen uns, Ihnen die neue Ausgabe der Zeitschrift LeGes – Gesetzgebung & Evaluation zukommen zu lassen. LeGes ist das Mitteilungsblatt der Schweizerischen Gesellschaft für Gesetzgebung (SGG) und der Schweizerischen Evaluationsgesellschaft (SEVAL) und richtet sich an Personen, die sich in Wissenschaft und Praxis um eine gute, verständliche und wirkungsvolle Gesetzgebung und eine gute Evaluation staatlichen Handels bemühen. 

Diese Ausgabe enthält zum einen die Beiträge, die im Rahmen der wissenschaftlichen Tagung 2019 der SGG entstanden sind. Die Autorinnen und Autoren beschäftigen sich dabei mit den Chancen und Herausforderungen der Rechtsetzung im digitalen Zeitalter und beleuchten die wichtigsten Aspekte in Form von Praxisbeispielen oder Grundsatzüberlegungen.

Zum andern erscheinen in dieser Ausgabe eine Reihe weiterer Beiträge: Mit rechtslinguistischen Fragen befasst sich einerseits Friedemann Vogel, der die Bedeutung des Adjektivs geschäftsmässig im juristischen Fach- und massenmedialen Gemeinsprachgebrauch analysiert, und andererseits Roy Garré, der die Mehrsprachigkeit in der schweizerischen Gesetzgebung und Rechtsprechung thematisiert.

Die Evaluationspraxis im Licht der neuen SEVAL-Standards steht im Fokus des Beitrags von Lars Balzer, in dem zwei empirische Studien über die Erfolgsbedingungen von Evaluationsprojekten vorgestellt werden. 

Karl-Marc Wyss erörtert die vorläufige bundesrechtliche Umsetzung eidgenössischer Volksinitiativen auf dem Verordnungsweg und geht auf Grundsatzfragen und Gefahren des Phänomens ein.

Die aktuelle Ausgabe sowie das gesamte Archiv der Zeitschrift LeGes sind für alle kostenlos unter leges.weblaw.ch zugänglich. 

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Wir wünschen Ihnen eine spannende Lektüre.

 

LeGes Wissenschaftliche Beiträge

Die Evaluationspraxis im Licht der neuen SEVAL-Standards sowie empirisch bestimmter Bedingungen erfolgreicher Evaluationsprojekte
Dieser Beitrag berichtet von zwei empirischen Studien, die Erfolgsbedingungen von Evaluationsprojekten empirisch untersuchen und diese in Bezug zu den neuen SEVAL-Standards setzen. Dabei zeigt sich unter anderem, dass die neuen SEVAL-Standards ziemlich gut dem entsprechen, was Evaluationsexpertinnen und -experten als Bedingungen erfolgreicher Evaluationsprojekte ansehen. Gleichzeitig werden in der aktuellen Evaluationspraxis Defizite festgestellt, was die Grundlagen konkreten Handelns in Evaluationsprojekten betrifft, und entsprechender Handlungsbedarf identifiziert. Lars Balzer

Un solo diritto, più lingue: il multilinguismo interpretativo elvetico
In der Schweiz liegen die Rechtstexte in mehreren Sprachen vor. Dies stellt für die Richterinnen und Richter eine anspruchsvolle methodologische Herausforderung dar. Die diesbezügliche Gerichtspraxis setzt voraus, dass die Schweizer Juristinnen und Juristen in allen Amtssprachen zumindest Passivkenntnisse haben. Die Volksschule wird diesem Anliegen aber leider nicht in allen Kantonen gerecht. Ein Ausweichen auf das Englische ist keine Lösung, weil dieses weder eine Amtssprache noch eine Landessprache ist und aus hermeneutischer Sicht deshalb auch nichts dazu beitragen kann, den in den Amtssprachen zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers korrekt umzusetzen. Roy Garré

Die vorläufige bundesrechtliche Umsetzung eidgenössischer Volksinitiativen auf dem Verordnungsweg: Phänomen, Grundsätze und Gefahren
Letzthin kamen vermehrt eidgenössische Volksinitiativen zur Abstimmung, die den Bundesrat ermächtigen und verpflichten, das Initiativbegehren einstweilen auf Verordnungsstufe umzusetzen. Bis anhin überführten Volk und Stände vier derartige Initiativen in die Verfassung (z. B. die Zweitwohnungs- oder die Masseneinwanderungsinitiative). Der Beitrag ordnet dieses Phänomen staatsorganisationsrechtlich ein und zeigt auf, inwiefern die vorläufige Umsetzung den Erlass von Ausführungsnormen beschleunigt, den Bundesrat zum Ersatzgesetzgeber macht und damit letztlich die Volks- und Ständerechte schwächt. Karl-Marc Wyss

LeGes Wissenschaftliche Beiträge der SGG-Tagung

Automatisierung normativer Prozesse am Beispiel von «stadtrecht.bern.ch»
Automatisierung dient nicht nur der Massenproduktion von Verbraucherverträgen. Sie findet auch Anwendung auf Prozesse der Rechtsetzung: Sie erleichtert die Erstellung der Fassungen, vereinfacht die Publikation der Erlasse und hilft, ein komplexes System über die Zeit in einem kohärenten Zustand zu bewahren. Dies gilt sowohl für Gesetzgeber aller Stufen (Bund, Länder oder Kantone, Gemeinden) als auch für alle Organisationen, die normative Vorschriften erlassen (wie z. B. Universitäten). Der Beitrag zeigt ein praktisches Beispiel der Automatisierung der Redaktion, Verwaltung und Publikation des Rechts der Stadt Bern. Blaise Dévaud, Wolfgang Hugentobler

E-Government-Gesetzgebung durch die Kantone – Integration in die Verfahrenskodifikation oder Auslagerung in Spezialerlasse?
Die bisherige Implementierung von E-Government in den Kantonen zeigt, dass sehr unterschiedliche Regelungsansätze zur Anwendung gelangen. Während einige Kantone die Bestimmungen betreffend E-Government im allgemeinen Verfahrenserlass verankern, entscheiden sich andere Kantone für die Schaffung eines Spezialerlasses spezifisch technischer oder fachrechtlicher Natur. Der vorliegende Beitrag kategorisiert diese Ansätze und analysiert, inwiefern sie mit dem Ideal der Kodifikation des Verwaltungsverfahrens sowie mit den Postulaten der Rechtssicherheit und Effizienz vereinbar sind. Andreas Glaser, Marco Ehrat

Les limites de la visualisation juridique en matière de réglementation
In der Gesetzgebung wird ab und zu auf Bilder, Grafiken oder Tabellen zurückgegriffen, um den Rechtstext verständlicher zu machen. Im Zeitalter der Digitalisierung mit ihren vielen technischen Möglichkeiten gewinnen solche Visualisierungen zunehmend an Bedeutung. Der vorliegende Beitrag untersucht die Praxis der Rechtsvisualisierung im Rahmen des schweizerischen Gesetzgebungsverfahrens. Darüber hinaus beleuchtet er die Möglichkeiten und die Herausforderungen der Rechtsvisualisierung bei der Regulierung neuer Technologien. Dabei zeigt sich, dass die meisten Vorgaben, die bei der Rechtsvisualisierung gelten, so schnell nicht hinfällig werden dürften. Neue Regulierungsformen weisen aber gleichwohl darauf hin, dass eine bildliche Umsetzung in einem bestimmten Ausmass möglich und auch wünschenswert ist. Magdalena Forowicz

L’impact de l’intelligence artificielle sur l’écriture des lois : du code de lois à la loi encodée
Die ersten Arbeiten zu einer digitalen Rechtsetzung reichen in die 1960er-Jahre zurück. Damals wurden die Mängel eines in Alltagssprache verfassten Rechts hervorgehoben, und an seiner Stelle ein nach formallogischen Grundsätzen konzipiertes Gesetz postuliert, mit dem eine Rechtsanwendung in automatisierter Form möglich würde – die Utopie des perfekten Gesetzes wurde wiederbelebt. Die Fortschritte der künstlichen Intelligenz, die bei der Digitalisierung der Gesetzgebung zum Einsatz kommen, könnten nun aber noch einen weiteren Traum wecken: die Illusion einer automatisierten Staatsführung. Alexandre Flückiger

La privatisation de la fonction législative ou la face sombre de la révolution numérique
Rasante und nicht vorhersehbare technologische Entwicklungen, die Komplexität der Digitalisierung und die Herausforderungen der Globalisierung überfordern den Gesetzgeber. Er überlässt das Feld der Selbstregulierung. Mit der Folge, dass die Verhaltenskodizes der Netzbetreiberverbände, die allgemeinen Geschäftsbedingungen der Dienstleistungsanbieter und Internetplattformen sowie die Vorgaben der Standardisierungsgremien an die Stelle gesetzlicher Regulierungen getreten sind. Aber es gibt Anzeichen dafür, dass der Staat bei der Digitalisierung die Zügel wieder selber in die Hand nehmen könnte. Bertil Cottier

Le Pacte de Représentation : choisir et réaliser une meilleure représentation
Dieser Beitrag beschreibt den Ansatz des Repräsentations-Paktes. Ziel dieses Ansatzes ist es, unsere Vorstellungen und Praktiken im Zusammenhang mit Wahlsystemen und der Volksvertretung zu überdenken. In einem ersten Schritt geht es darum zu bestimmen, nach welchen Kriterien die Bürgerinnen und Bürger vertreten sein wollen. In einem zweiten Schritt kommen diese Kriterien bei der Auswahl der Kandidatinnen und Kandidaten zur Anwendung. Am Schluss gewinnt diejenige Liste von Kandidatinnen und Kandidaten, die zugleich den vorgängig bestimmten Kriterien der Vertretung entspricht und deren Kandidatinnen und Kandidaten am meisten Stimmen erhalten haben. Dargelegt wird dieser Ansatz im Lichte der Erfahrungen, die 2018 bei den «Primärwahlen» der Bewegung «Appel Citoyen» im Kanton Wallis gemacht wurden. Johan Rochel, Florian Evéquoz

Demokratie-Innovationen: Plädoyer für eine differenzierte Auseinandersetzung mit der digitalen Demokratie
Die digitale Demokratie löst grosse Ängste und ebenso grosse Hoffnungen aus. Angezeigt sind aber weder Kulturpessimismus noch Technologieeuphorie. Ein nüchterner Blick auf die diversen Facetten der Digitalisierung und die verschiedenen Aspekte der Demokratie hilft, ein differenziertes Bild zu zeichnen und konkrete Handlungsanweisungen zu entwerfen. Maximilian Stern

LeGes Werkstattberichte

Die Bedeutung des Adjektivs geschäftsmäßig im juristischen Fach- und massenmedialen Gemeinsprachgebrauch
Gegenstand ist eine vergleichende empirische Korpusstudie zur Bedeutung des Ausdrucks geschäftsmäßig im (bundesdeutschen) Gemeinsprach- und juristischen Fachsprachgebrauch. Die Studie illustriert an einem aktuellen Fall strittiger Wortdeutung (hier zu § 217 StGB) die Möglichkeiten computergestützter Sprachgebrauchsanalyse für die Auslegung vor Gericht und die Normtextprognose in der Rechtsetzung. Friedemann Vogel, Benjamin Bäumer, Fabian Deus, Jan Oliver Rüdiger, Felix Tripps

LeGes Unter der Lupe

L’aggettivo «sabatale»: un neologismo incipiente nel linguaggio burocratico-amministrativo?
Giovanni Bruno

LeGes Tagungsberichte

36. Forum für Rechtsetzung vom 24. Oktober 2019
Noëlle Köchli

LeGes Mitteilungen

Prix SEVAL
Marion Baud-Lavigne

LeGes Rezensionen

Recensione di: Jean-Luc Egger, A norma di (chi) legge. Peculiarità dell’italiano federale
Annarita Felici

Rezension: Margrit Seckelmann, Evaluation und Recht: Strukturen, Prozesse und Legitimationsfragen staatlicher Wissensgewinnung durch (Wissenschafts-) Evaluationen
Christian Hirschi