Jusletter

Bundesgericht definiert den «Beginn der Hauptverhandlung»

Die Novenschranke von Art. 229 Abs. 2 ZPO fällt vor den ersten Parteivorträgen

  • Autoren/Autorinnen: Nicolas Facincani / Reto Sutter / Seline Wissler
  • Beitragsart: Urteilsbesprechungen
  • Rechtsgebiete: Zivilprozessrecht
  • DOI: 10.38023/0b16ac9a-f7bd-41f8-b290-4a34adc6d7cf
  • Zitiervorschlag: Nicolas Facincani / Reto Sutter / Seline Wissler, Bundesgericht definiert den «Beginn der Hauptverhandlung», in: Jusletter 10. Januar 2022
Die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt neue Tatsachen und Beweismittel gültig in ein Zivilverfahren eingebracht werden können, ist von grosser prozessualer Bedeutung. Dieser Beitrag setzt sich mit dem Bundesgerichtsentscheid 4A_50/2021 vom 6. September 2021 auseinander, welcher den «Beginn der Hauptverhandlung» gemäss Art. 229 Abs. 2 ZPO erstmals begründet definiert und damit den genauen Zeitpunkt der Novenschranke festlegt.

Inhaltsverzeichnis

  • 1. Einleitung
  • 2. Urteil des Bundesgerichts vom 6. September 2021
  • 3. Grundlagen des Novenrechts
  • 3.1. Noven
  • 3.2. Zweimaliges unbeschränktes Äusserungsrecht gemäss Art. 229 Abs. 2 ZPO
  • 4. Novenschranke gemäss Art. 229 Abs. 2 ZPO
  • 4.1. Folgen des Eintritts
  • 4.2. Lehre – Divergierende Auffassungen bezüglich des «Beginns der Hauptverhandlung»
  • 4.2.1. Vorbringen der Noven in jeweils ersten Parteivorträgen möglich
  • 4.2.2. Aktenschluss nach Replik bzw. Duplik gemäss Art. 228 Abs. 2 ZPO
  • 4.2.3. Aktenschluss vor den ersten Parteivorträgen
  • 4.3. Obiter dictum des Bundesgerichts im Urteil BGE 144 III 67
  • 4.3.1. Kritik der Lehre am Bundesgericht
  • 4.3.2. Arbeitsgericht Zürich: Noven in der Hauptverhandlung
  • 5. Präzisierung der Rechtsprechung im Bundesgerichtsentscheid 4A_50/2021 vom 6. September 2021
  • 5.1. Auslegung von Art. 229 Abs. 2 ZPO
  • 5.1.1. Wortlaut
  • 5.1.2. Entstehungsgeschichte
  • 5.1.3. Systematik
  • 5.1.4. Zweck der Bestimmung
  • 5.2. Gesamtwürdigung spricht für Novenschranke vor Parteivorträgen
  • 6. Kritik
  • 6.1. Verkomplizierung des Verfahrens insbesondere für Laien
  • 6.2. Dient weder Waffengleichheit noch Entlastung der Gerichte
  • 6.3. Ungleiche Anwendung der Rechtsprechung je nach Art und Ablauf des Verfahrens
  • 6.3.1. Differenzierung zwischen mündlicher Hauptverhandlung und Schriftenwechsel
  • 6.3.2. Differenzierung zwischen vereinfachtem und ordentlichem Verfahren
  • 6.3.2.1. Faktisch keine Novenschranke bei Hauptverhandlung vor Arbeitsgerichten im vereinfachten Verfahren
  • 6.3.2.2. «Schriftliche Stellungnahme» gemäss Art. 245 Abs. 2 ZPO
  • 7. Umsetzung in der Praxis
  • 8. Fazit

1 Kommentar

  • 1

    Ein unsinniger Entscheid des Bundesgerichts

    Der Kritik der Autoren am referierten Bundesgerichtsentscheids kann nur zugestimmt werden. Das Bundesgericht hat mit diesem Entscheid das Gegenteil dessen getan, was man sich von ihm gewünscht hätte: Es hat sich einer praxisfreundlichen Auslegung des Gesetzes verschlossen und eine unsinnige Komplikation des Verfahrens generiert, anstatt mit einer einfachen und nachvollziehbaren Lösung zu einem praktischen und effizienten Ablauf der Hauptverhandlung beizutragen. Nicht nur Anwält*innen werden den Kopf schütteln, wenn sie mit den praktischen Auswirkungen dieses Entscheids konfrontiert werden; die betroffene Prozesspartei wird wohl die Welt nicht mehr verstehen.

    avatarGeorg Naegeli11.01.2022 17:31:50Antworten

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