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Liebe Leserinnen und Leser
 
Smart Contracts, Digitale Währungen und Autonome Organisationen – das sind nur einige der Schlagworte, die uns im Zusammenhang mit der Blockchain beinahe täglich begegnen. Während die Entwicklungen aus einer wirtschaftlichen Perspektive zweifellos viel Potential beinhalten, sehen wir uns juristisch vor der Herausforderung, diese neuen Entwicklungen in unsere Rechtsordnung einzubetten. Im September 2017 haben sich rund 50 Expertinnen und Experten an einem Roundtable der Universität Bern mit der privatrechtlichen Einordnung von Verträgen auf der Blockchain befasst. Die folgenden Beiträge teilen die wesentlichen Ergebnisse des Anlasses mit einem breiteren Kreis. Sie fokussieren dabei auf die Themen «Token» sowie «Smart Contract» und beschreiben die rechtlichen Strukturen verschiedener Anwendungsfälle.
 
Martin Hess und Stephanie Lienhard stellen dar, wie Vermögenswerte auf der Blockchain übertragen werden. Anhand der Bitcoin-Blockchain erklären sie, wie Transaktionen auf der Blockchain technisch funktionieren, und analysieren, welche Übertragungsformen des bestehenden Rechts sich für Transaktionen auf der Blockchain eignen. Gestützt auf diese Analyse formulieren sie konkrete Vorschläge für eine Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen. Sie sprechen sich dabei gegen eine vereinheitlichte aufsichtsrechtliche Regulierung für alle Formen von Tokens aus und schlagen einen erweiterten Anwendungsbereich der Regeln des Wertpapierrechts vor.
 
Benedikt Maurenbrecher und Urs Meier untersuchen, wie die Nutzer von virtuellen Währungen in der Insolvenz eines Verwahrers geschützt sind. Nach einem Überblick über die verschiedenen Verwahrungsformen besprechen sie die Rechtsposition des Nutzers und seinen dinglichen, aufsichtsrechtlichen und vertragsrechtlichen Schutz in einem Insolvenzverfahren des Verwahrers. Um das Schutzniveau zu stärken, schlagen sie de lege ferenda vor, Wallet-Provider, die eine gewisse Grösse bzw. Wesentlichkeit erreichen, den bankengesetzlichen Bestimmungen zu Insolvenzmassnahmen und zur Konkursliquidation zu unterstellen.
 
In ihrem Beitrag zu Smart Contracts in Escrow-Verhältnissen befassen sich Andreas Glarner und Stephan D. Meyer mit Vermögenswerten, die durch einen Smart Contract gehalten werden. Sie zeigen auf, dass nur dann ein eigentliches Escrow Agreement vorliegt, wenn hinter dem Smart Contract eine Drittpartei steht, welche die Voraussetzungen für die Transaktion prüft und gegebenenfalls die Transaktionsfunktion auslöst. Sie kommen auch für diese Konstellation zum Ergebnis, dass die Vermögenswerte keinen Einlagencharakter i.S. des Bankengesetzes aufweisen und die Drittpartei nur dann dem Geldwäschereigesetz unterstellt ist, wenn sie umfassende und alleinige Verfügungsmacht über die Vermögenswerte hat.
 
Rolf H. Weber nimmt eine Auslegeordnung im Bereich der Leistungsstörungen und der Rechtsdurchsetzung bei Smart Contracts vor. Er kommt zum Ergebnis, dass die Rechtsinstrumente des obligationenrechtlichen Leistungsstörungsrechts auf die automatisierte Vertragsabwicklung durch Smart Contracts nur bedingt anwendbar sind. Um Smart Contracts an die Offline-Welt zu koppeln und damit Leistungsstörungen zu minimieren, schlägt er den Einsatz von Orakeln vor. Für die Rechtsdurchsetzung empfiehlt er den Beizug von zumindest teilweise automatisierten Schiedsstellen.
 
Datenschutz auf der Blockchain ist ein Thema, das zunehmend Fragen aufwirft. Michael Isler führt aus, dass gerade bei offenen Systemen wie der Bitcoin-Blockchain die datenschutzrechtlichen Instrumente weitgehend versagen. Insbesondere finden sich für die Betroffenen oft keine verantwortlichen Personen als Ansprechpartner oder die Durchsetzung der Betroffenenrechte ist systembedingt nicht möglich. Umso bedeutsamer erweisen sich gemäss dem Autor systemimmanente Datenschutzfunktionen (Privacy by Design).
 
Andreas Furrer stellt in seinem Beitrag drei Thesen zum Einsatz der Blockchain in der Logistik auf. Gemäss seiner ersten These hat die Blockchain-Technologie das Potential, die Logistik grundlegender zu verändern als die Einführung der IT-Technologie. Zweitens werde diese Revolution der Logistik nicht aus der Logistik-Industrie selbst, sondern von Dritten wie zum Beispiel Technologie-Unternehmen initiiert. Drittens geht der Autor davon aus, dass die Rechtsfragen um die Neugestaltung der Logistik die Juristen noch lange beschäftigen werden, aber auch neue Perspektiven auf die rechtliche Beurteilung der Logistik eröffnen.
 
Eleonor Gyr geht in ihrem Beitrag der Frage nach, wie Dezentrale Autonome Organisa­tionen (DAOs) auf der Blockchain rechtlich zu erfassen sind. Sie fokussiert dabei auf «The DAO», ein Pionierprojekt auf der Ethereum-Blockchain aus dem Jahr 2016, und stellt dar, dass diese aus einer gesellschaftsrechtlichen Optik als einfache Gesellschaft einzuordnen ist. Aufgrund der fehlenden Fremdverwaltung verneint sie dagegen tendenziell eine Qualifikation des Vehikels als kollektive Kapitalanlage gemäss KAG.
 
Mirjam Eggen unternimmt den Versuch, Verträge über digitale Währungen privatrechtlich einzuordnen. Sie vertritt die Auffassung, dass der Einsatz von digitaler Währung zur Bezahlung von Waren oder Dienstleistungen nichts an der Vertragsqualifikation ändert, wenn die digitale Währung als allgemeines Tauschmittel fungiert und dem Empfänger dadurch abstrakte Vermögensmacht vermittelt.
 
Ich danke den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Roundtable «Verträge auf der Blockchain» und insbesondere den Autorinnen und Autoren der vorliegenden Beiträge für ihre Impulse und den offenen Dialog vor, während und nach der Veranstaltung. Ebenfalls danke ich der Weblaw AG für die Möglichkeit, die Artikel in dieser Schwerpunktausgabe zu veröffentlichen und damit die begonnene Diskussion zu öffnen und fortzuführen.
 
Prof. Dr. Mirjam Eggen
Gast-Redaktorin
Juristische Fakultät, Universität Bern
 

 

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