Jusletter

«Gewöhnliches» zur Ungewöhnlichkeitsregel oder «Ungewöhnliches Gewöhnliches»?

Grundsätzliche Bemerkungen zum Urteil des Bundesgerichts 4A_299/2008 vom 28. Oktober 2008

  • Autor/Autorin: Christoph Lüscher
  • Rechtsgebiete: OR besonderer Teil
  • Zitiervorschlag: Christoph Lüscher, «Gewöhnliches» zur Ungewöhnlichkeitsregel oder «Ungewöhnliches Gewöhnliches»?, in: Jusletter 18. Oktober 2010
Das vorliegende Urteil des Bundesgerichts vom 28. Oktober 2008 überrascht vor allem in zweierlei Hinsicht: einerseits bezüglich der ungewöhnlich «kurvigen» Argumentationslinie, welche die von höchstrichterlichen Entscheiden erwartete argumentative Stringenz enttäuscht, und andererseits hinsichtlich der ungewöhnlich erscheinenden Erkenntnis, dass für die Begründung eines im geltenden Recht nicht vorgesehenen (Gestaltungs-)Rechts die «allgemeine Erwartungshaltung» einer Partei konstitutiv sein soll. Dem Autor zufolge findet diese an die tradierte Schuldrechtsdogmatik nur dann Anschluss, wenn das vorliegende Urteil als (weiterer) Schritt rechtsfortbildender «Materialisierung» des Privatrechts verstanden wird. Aber auch dann kann dieses dogmatisch nicht überzeugen.

Inhaltsverzeichnis

  • I. Sachverhalt
  • II. Erwägungen des Bundesgerichts
  • 1. Übersicht
  • 2. Voraussetzungen für eine rechtswirksame einseitige Anpassung von Verträgen an veränderte Umstände
  • 3. Konstitutive Elemente der Erwartung der Verbundenheit einer Anpassungsklausel mit einem Kündigungsrecht
  • 3.1 Aufklärungspflicht des AGB-Verwenders bei dessen einseitigem Vertragsanpassungsrecht?
  • 3.2 Nicht hinreichend bestimmtes, die Anpassung ermöglichendes Ereignis
  • III. Grundsätzliche Bemerkungen
  • 1. Ungewöhnliche AGB-Klauseln: ungewöhnlich, aber nicht unangemessen oder treuwidrig, obwohl/weil nicht treuwidrig?
  • 2. Auflösung der Paradoxie «ungewöhnlich und damit treuwidrig, obwohl/weil nicht unangemessen und damit nicht treuwidrig» durch das Kriterium des Schutzes kontrafaktischen Erwartens des AGB-Nehmers
  • 3. Ungewöhnlichkeit der Anpassungsklausel von Ziff. 4 Abs. 2 AGB 2005 als solche
  • 4. Ungewöhnlichkeit von AGB-Klauseln als Tatbestand der Aufklärungspflicht des AGB-Verwenders und Kündbarkeit des Vertrages als mögliche Rechtsfolge bei deren Verletzung
  • 5. In casu folgenreiche Einschränkung der Ungewöhnlichkeitsfrage durch das Bundesgericht oder zu dessen Auflaufen auf die Paradoxie «ungewöhnlich und damit treuwidrig, obwohl/weil nicht unangemessen und damit nicht treuwidrig»
  • 5.1 Erster Argumentationsstrang des Bundesgerichts: Nicht genügend bestimmte Anpassungsklausel – keine Frage des Konsenses bzw. des Transparenzgebots (Inhaltskontrolle), sondern Verdeutlichung des ersten Elementes der Ungewöhnlichkeit, des Nicht-(so)-erwarten-Müssens
  • 5.2 Der zweite Argumentationsstrang des Bundesgerichts: Beurteilung des Anpassungsrechts des Versicherers nach den allgemeinen Grundsätzen des OR – Antwort auf die nicht gestellte Frage der «Materialisierung» der Privatautonomie zum Schutz des Gläubigers?
  • 5.3 Ziff. 4 Abs. 2 AGB 2005 hinsichtlich des Ausschlusses des Kündigungsrechts als blosse deklaratorische Klausel bzw. als Vertragsfloskel oder zum logischen Satz des ausgeschlossenen Eingeschlossenen
  • 5.4 Verknüpfung des ersten und zweiten Argumentationsstranges des Bundesgerichts zur «allgemeinen Erwartungshaltung», dass dennoch gilt, was «gewöhnlich» nicht gilt oder zur Bestimmung der Kontrafaktizität der Erwartung als zweites Element der Ungewöhnlichkeitsregel
  • 5.5 Systemunstimmigkeit eines «allgemein» erwarteten Kündigungsrechts im Gegenzug zu einem Anpassungsrecht der Gegenpartei
  • 6. Alternative Lösung des vorliegenden Falles: Anwendbarkeit von Art. 119 OR
  • IV. Schlussbetrachtungen: «Gewöhnliches» zur Ungewöhnlichkeitsregel oder «Ungewöhnliches Gewöhnliches»?
  • V. Zusammenfassung

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