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«Justice - Justiz - Giustizia» – Richter in Weiss.

Bern, 3. Dezember 2015 – Wenn Mediziner oder forensische Psychiater über rechtliche Themen sprechen und schreiben, ist die Wahrscheinlichkeit von Fehlern ebenso gross, wie wenn Juristen dies zu medizinischen Themen tun. Nach dem Mord am Au-pair-Mädchen Lucie durch Dani H., 2009, überprüften die Aargauer Vollzugsbehörden Täter mit einem möglicherweise ähnlichen Risikoprofil und beauftragten viele Sachverständige mit forensisch-psychiatrischen Beurteilungen. Eine Frage aus dem umfangreichen Fragenkatalog lautete: «Ist der Täter zu verwahren?». Dr. med. Marc Graf, Professor für forensische Psychiatrie der Universität Basel, Klinikdirektor und Chefarzt Forensisch Psychiatrische Klinik, Universitäre Psychiatrische Kliniken Basel, stellt zu dieser Frage fest: «Die Beurteilung, ob der Täter eine Gefahr darstellt, ist eine gesellschaftliche und richterlich normative Abwägung. Wie hoch die Rückfallwahrscheinlichkeit oder die Wahrscheinlichkeit der Eskalation zu so genannten «hands-on» Delikten ist, ist eine naturwissenschaftliche Frage.»
 
Marc Graf, Richter in Weiss, in: «Justice - Justiz - Giustizia» 2015/4
 
Dr. med. Jörg Jeger, Rheumatologie FMH, EMBA, MAS Versicherungsmedizin, Chefarzt MEDAS Zentralschweiz, widmet sich der Kunst der Fragestellung für medizinische Gutachten. «Eine präzise, schlanke Fragestellung, die massgeschneidert auf den zu behandelnden Streitfall passt, gehört zu den wirksamsten Fehlerprophylaxen», folgert er. Ein medizinisches Gutachten erfordert eine optimale Zusammenarbeit zwischen dem Auftraggeber und dem Gutachter. Bei Unklarheiten zur Fragestellung lohnt es sich im Sinne einer Fehlerprophylaxe, mit einem Mediziner, allenfalls gar mit dem potenziellen Experten, Kontakt aufzunehmen. Ideal ist, wenn dem Auftraggeber bei der Ausarbeitung der Fragestellung medizinischer Sachverstand zur Verfügung steht, d.h. wenn Jurist und Mediziner die Fragestellung gemeinsam verfassen können.
 
Jörg Jeger, Garbage in – garbage out: Die Kunst der Fragestellung für medizinische Gutachten, in: «Justice - Justiz - Giustizia» 2015/4
 
Weitere spannende Beiträge rund um das Thema «Externes und internes Fachwissen von Gerichten»finden Sie in der Schwerpunkt-Ausgabe von «Justice - Justiz - Giustizia» 2015/4 vom 3. Dezember 2015: